Ein Maler kennt kein Pardon
Hochdotierter Hamburger Kunstpreis für Daniel Richter / Spott für die
Sponsoren
von Nicole Büsing und Heiko Klaas, Weser Kurier, 13. Juli
2009
Hamburg. Kompromisslos bis in die Fingerspitzen: Der Maler Daniel Richter erhält den Kunstpreis Finkenwerder 2009.
Für den Ex-Hafenstraßenbewohner ist das kein Grund, mit den Sponsoren pfleglich
umzugehen. In seiner Ausstellung im Kunsthaus Hamburg bekommt das Establishment
kräftig sein Fett weg.
Ein gesprayter türkisfarbener Pfeil mit dem Hinweis "Eingang" gibt
die Richtung vor. Der Besucher der Daniel Richter-Ausstellung geht nach links
und tastet sich zunächst durch einen schmalen Gang. Hier hat Daniel Richter
bereits erste Hinweise aufgeklebt, die klar machen, worum es hier gehen soll:
ein schnittiges Flugzeug, Ankündigungen einer Life-Performance eines gewissen
"Michael Jacko" und die Künstlernamen
"Meese Marx".
Richter-Fans ahnten es sofort: Die Ausstellungseröffnung anlässlich der
Verleihung des mit 50 000 Euro dotierten "Kunstpreis Finkenwerder
2009" wurde eine große Party, bei der nicht nur ein von Richter
engagierter Michael-Jackson-Imitator auftrat, sondern auch zahlreiche
Weggefährten Richters mit von der Partie waren. 1000 Besucher stürmten das
Kunsthaus zur Eröffnung, die Stimmung kochte über.
Daniel Richter, 1962 in Eutin geboren, hat in Hamburg ein Heimspiel. Mit seinem
Künstlerfreund Jonathan Meese, der ebenfalls von der mächtigen
Berliner Galerie Contemporary Fine Arts vertreten wird,
legte er - übrigens nicht zum ersten Mal - eine gemeinsame Malsession ein. Erst
kurz vor Ausstellungseröffnung entstand eine Reihe von farbintensiven,
selbstironischen Gemälden mit anspielungsreichen Textbotschaften. Eine typische
Mischung aus Meeses Kunstsprache und Richters
Sprachwitz. Ein zweiter, jüngerer Künstler aus Hamburg, den Richter in die Ausstellung
integriert, ist Stefan Marx, Jahrgang 1979.
Marx ist, ähnlich wie einst Richter, in der Musikszene aktiv. Beide gestalten
Plattencover oder Plakate und haben eine enge Bindung zur kreativen Hamburger
Subkultur. Ebenfalls mit dabei ist der Underground-Filmemacher Peter Sempel. Er dokumentierte in einem 30-minütigen, hautnahen
Video die Malsession von Richter und Meese. Das Video
ist ebenso in der Ausstellung zu sehen wie eine mit leicht ironischer Distanz
gefilmte, fünfminütige Sequenz von der Preisverleihung auf dem Firmengelände
des Airbus-Konzerns in Hamburg-Finkenwerder.
Daniel Richter, einer der weltweit erfolgreichsten Maler, lässt es sich nicht
nehmen, die auslobende Firma kräftig aufs Korn zu nehmen. In vielen Exponaten
sind kritische Anspielungen auf das Unternehmen Airbus und dessen
Repräsentanten zu erkennen.
Das Hauptexponat der Schau ist ein Mongolenzelt aus Filz. In dieser Jurte, die
für die Erdverbundenheit und Einfachheit der Nomaden steht, präsentiert Daniel
Richter ein Paar Nike-Turnschuhe. Sie werden theatralisch von einem Spotlight
angestrahlt. Dieses Paar gehört zu einer Edition von weltweit nur 45
Exemplaren. Die Exklusivität der Markenschuhe und ihre begrenzte Auflage kann
fast nur mit der Aura von Kunstwerken verglichen werden. Richters Mongolenzelt
konterkariert erdverbundene Schlichtheit à la Joseph Beuys mit den aggressiven
Marketingstrategien eines amerikanischen Weltkonzerns.
"Die A380 der Malerei, Daniel Richter hat wieder abkassiert" steht
auf einem Plakat im Eingangsbereich der Schau.
Der große Ironiker Richter hat es selbst dort platziert. Eines muss man Daniel
Richter lassen: Seine kritisch-rebellische Haltung hat sich der malende Popstar
nicht austreiben lassen. Da kann er noch so viele Preise gewinnen. Daniel
Richter ist keiner, der sich vom Establishment vereinnahmen lässt.
Kunsthaus Hamburg, Klosterwall 15, bis 30. August;
Geöffnet: dienstags bis sonntags 11 bis 18 Uhr. Katalogbroschüre: 8 Euro